Wie unsere Psyche unseren Erfolg an der Börse beeinflusst
In der Finanzwelt ging man lange vom Homo Oeconomicus aus, also der Theorie, dass der Mensch rational ist und handelt. Dass dies ein Trugschluss ist, kannst du dir sicher vorstellen. Daniel Kahneman und Amos Tversky haben in den 1970er begonnen, im Bereich “Behavioural Finance” zu forschen, um herauszufinden, welche Denkfallen wir haben, die speziell das Investieren beeinflussen. Welche das sind und wie unsere Psychologie unsere Investmententscheidungen beeinflusst, das schauen wir uns in diesem Artikel an. So kannst du dein eigenes Verhalten reflektieren und vielleicht die ein oder andere psychologische Stolperfalle vermeiden.
Wie verhalten sich Menschen auf dem Aktienmarkt?
Geld polarisiert. Egal, ob beim Weihnachtsessen mit der Familie oder bei der nächsten Investmententscheidung, wenn du alleine vor deinem Online Broker sitzt. Dass wir emotionale Wesen sind und unsere Emotionen auch vermeintlich rationale Entscheidungen tünchen, merken wir besonders auf dem Aktienmarkt.
DALBAR Inc. hat ein grosse Studie zum Thema Investorverhalten durchgeführt und dabei gefunden, dass …
der durchschnittliche private Investor*in signifikant weniger Rendite einfährt als Marktindizes wie z.B. der S&P 500 (den Markt zu schlagen funktioniert also meistens nicht) und somit deutlich weniger Vermögen aufbaut
… Investor*innen Aktien oft teuer einkaufen und niedrig verkaufen, weil sie emotional auf Marktfluktuationen reagieren (“Oh nein, mein Depot crasht – ich muss schnell verkaufen, bevor ich noch mehr Geld verliere!”). Dabei erholt sich der Markt erfahrungsgemäss über einen längeren Zeitraum wieder. Uns grätschen dann aber Emotionen wie Angst und Gier dazwischen und zerstören damit eine mögliche Rendite.
… dass gerade Perioden von extremer Volatilität (z.B. die Covid19-Pandemie oder Finanzkrise in 2008) Panik und voreilige Kauf-/Verkaufsentscheidungen hervorrufen.
Vielleicht findest du dich ja auch in diesem Schaubild wieder:
Die grössten psychologischen Fallen beim Investieren
Es gibt 6 wichtige Bias’ (Voreingenommenheiten), die du kennen solltest, wenn du an der Börse anlegen möchtest. Denn: Entgegen deiner vielleicht aktuellen Überzeugung, handelst du als Mensch nicht rational. Unsere Emotionen tragen immer zu unseren Entscheidungen bei. Auch an der Börse. Damit du aufgrund deiner Emotionen nicht unnötiges Geld verlierst, solltest du auf folgendes achten:
1. Overconfidence - Überschätzung
Überschätzung ist ein Phänomen, das dazu führt, dass wir die eigenen Informationen mit einer höheren Qualität einstufen und schnell denken, dass wir es besser wissen als der Markt. Die Folge beim Investieren ist häufig, dass wir denken, eine Aktie besonders gut beurteilen zu können und deswegen ausschliesslich diese Aktie kaufen und damit nicht genug diversifiziert sind.
Auch kann Überschätzung am Aktienmarkt dazu führen, dass du zu aktiv bist und somit zu häufig handelst. Wer viel traded, zahlt viele Gebühren und verliert unter Umständen den Vorteil, den er oder sie beim richtigen Aussuchen der Aktien gewonnen hat.
Übrigens sind Männer dem Phänomen eher ausgeliefert als Frauen, was dazu führt, dass Männer häufiger Rendite-Einbussen haben durch zu viel Handeln oder Aktionismus (“Hin und her macht Taschen leer”).
Die Lösung lautet daher: Passiv investieren (z.B. über ETFs) anstatt Stockpicking zu betreiben. Dafür kannst du auch einen Robo Advisor nutzen (hier gibt’s die Übersicht der besten Anbieter in der Schweiz), der stur seinen Algorithmus anwendet.
2. Home Bias - Heimatneigung
Heimatneigung bedeutet, dass Anleger*innen bevorzugt Aktien der eigenen Region kaufen. Warum? Typischerweise denken wir, wir kennen uns besser aus als andere in unserem Markt. Gleichzeitig kennen wir uns nicht in anderen Märkten aus. Das führt dazu, dass Amerikaner*innen überdurchschnittlich viele Aktien aus den USA besitzen und Schweizer*innen vorrangig Aktien von Schweizer Firmen.
Da die meisten Heimatmärkte aber auch durch gewisse Industrien geprägt sind, bedeutet das, dass Anleger*innen meist ein Klumpenrisiko in einer Industrie und einem Land haben. Zu viele gleiche Aktien im Portfolio sorgen für nicht ausreichende Diversifikation.
Die Lösung: Diverses Portfolio aufbauen und verschiedene Regionen und Industrien abdecken. Dies kann man gut durch einen oder mehrere ETFs umsetzen oder über min. 20-30 Einzelaktien.
3. Loss Aversion - Verlustaversion
Die Verlustaversion bedeutet, dass wir als Mensch Verluste schwerer gewichten als Gewinne. Dies haben Daniel Kahneman und Amos Tversky in Studien festgestellt, typischerweise müssen Gewinne 1,5-2,5-Mal höher als Verluste sein damit sie “gleich” wahrgenommen werden.
Warum ist das wichtig zu wissen? Weil wir dadurch oft Verluste nicht realisieren und somit eben Aktien, die an Wert verloren haben, nicht verkaufen. Gleichzeitig verkaufen wir gut gelaufene Aktien zu früh. Insgesamt kann man sagen, dass wir durch die Verlustaversion das Timing sehr häufig verhauen.
Die Lösung lautet: Nicht auf das Timing setzen, sondern einen Sparplan aufsetzen und diesen monatlich besparen. So kommst du nicht in Versuchung. Auch Aktien über einen Zeitraum auch wieder verkaufen, wenn man diese nicht mehr halten mag. Übrigens, warum es an der Börse nie den perfekten Moment gibt, habe ich hier erklärt.
4. Limited Attention Span - Begrenzte Rationalität
Es gibt Tausende von Aktien zur Auswahl, aber wir haben weder die Zeit noch den Wunsch, die einzelnen Aktien zu untersuchen. Der Mensch ist gezwungen, was der Ökonom und Psychologe Herbert Simon als "begrenzte Rationalität" bezeichnete, Entscheidungen aufgrund des begrenzten Wissens, das er anhäufen kann, zu treffen.
Anstatt die effizienteste Entscheidung zu treffen, treffen wir die einfachste Entscheidung (“Quick fix”). Aufgrund dieser Einschränkungen ziehen Anleger*innen in der Regel nur Aktien in Betracht, die sie über Webseiten, Finanzmedien, Freunde oder Familie kennen. Ohne weitere Recherche. Das führt in der Regel zu einer verzerrten Wahrnehmung und letztlich zu einer zu geringen Diversifikation oder zu Impulskäufen und Verkäufen.
Die Lösung lautet: Aktiv nach anderen Meinungen suchen, die nicht der eigenen entsprechen und alles hinterfragen. Oder in ein sehr diversifiziertes Portfolio investieren, monatlich investieren (Sparplan) und investiert bleiben (Buy-and-hold). Dies führt zu dazu nicht impulsiv zu reagieren und auf limitierte Informationen Entscheidungen zu treffen.
5. Confirmation Bias
Das Limited Attention Bias hängt eng mit dem Confirmation Bias zusammen: Dieses tritt auf, wenn du gezielt nach Informationen suchst, die deine bestehende Meinung unterstreichen, und Fakten, die nicht mit deiner eigenen Meinung übereinstimmen, ignorierst. Das kann dazu führen, dass du in unpassende Investments einsteigst oder bestimmte Aktien länger hältst als sinnvoll.
Fehler einzugestehen und Investments loszulassen macht uns allen keinen Spass. Aber gerade in der Finanzwelt lohnt es sich, Fehlentscheidungen schnell zu erkennen, zu korrigieren und damit grössere Schäden zu begrenzen.
So umgehst du das Confirmation Bias: Eine Strategie wählen, die keine Auswahl von Einzeltiteln bedingt, wie z.B. eine passive Strategie in Indexfonds oder ETFs. Dies kannst du selbst umsetzen oder über einen Robo Advisor.
6. Chasing Trends - Trends nachjagen
Dies ist wohl der häufigste Fehler. Forscher im Bereich Behavioral Finance stellten fest, dass 39% der Neugelder meist in Fonds fliessen, die im Vorjahr die beste Performance zeigten. Klingt auf den ersten Blick plausibel, wir wollen ja alle nur das Beste. Gleichzeitig zeigt es auch, dass wir Herdentiere sind und vor allem Produkte kaufen, die alle kaufen. Häufig haben diese Fonds allerdings ihren Hype schon erreicht und steigen eben nicht mehr in der gleichen Art wie vorher, z.B. thematische Fonds.
Die Lösung: Wenn du einen Trend findest, ist es wahrscheinlich, dass der Markt ihn lange vor dir identifiziert und ausgenutzt hat und du läufst Gefahr, auf dem Höhepunkt zu kaufen. Der Herde zu folgen bringt nur selten grosse Gewinne. Und noch viel schlimmer: Es führt zu einer schlechteren Rendite, weil du höhere Tradingkosten hast und die Aktie zum unpassenden Zeitpunkt kaufst / verkaufst.
Baue dir besser ein Portfolio auf, welches bei allen Wirtschaftszyklen funktioniert, z.B. mit verschiedenen Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und alternativen Anlagen. Wie sich die unterschiedlichen Wirtschaftszyklen auf die Börse auswirken, habe ich hier erklärt.
Zusätzlich hilft hier auch die Zusammenarbeit mit einem professionellen Finanzberater*in, der verhindert, dass du emotionale oder trend-getriebene Entscheidungen triffst und stattdessen bei deiner Strategie bleibst.
Hier halten wir alle Bias’ und deren mögliche Risiken für deinen Geldbeutel fest:
Frauen und Männer: So unterschiedlich verhalten sich die Geschlechter an der Börse
Das Frauen und Männer auch beim Thema Investieren anders ticken, zeigt die Studie von Money Crashers:
Die psychologischen Bias’ schlagen bei den Geschlechtern also ganz unterschiedlich ein.
Männer verhalten sich am Aktienmarkt aggressiver und gehen mehr Risiko ein - überschätzen sich aber oft dabei (siehe “Overconfidence Bias”). Sie vertrauen auf ihre Fähigkeiten (ob sie sich auskennen oder nicht) und betreiben daher mehr Stockpicking, was zu weniger Diversifikation führt.
Frauen hingegen prägen viele Eigenschaften, die ideal als Investor*in sind: Sie diversifizieren mehr und betreiben “Buy and hold”, was sich langfristig positiv auf ihre Rendite auswirkt, da sie weniger für Tradingkosten ausgeben und keinen flüchtigen Trends nachjagen. Das Problem der Frauen liegt eher darin, dass weniger Frauen investieren und wenn sie investieren, fangen sie zu spät an, was sie wertvolle Zeit kostet, in denen ihre Investments wachsen könnten. Stichwort Zinseszinseffekt - kennst du bestimmt, oder?
Das hat viele unterschiedliche Gründe:
Wenn sie mit einem Finanzberater*in zusammenarbeiten, zahlen sie oftmals zu viel für schlechtere Beratung und weniger rentable Produkte als Männer. Dies kann durch Finanzbildung vermieden werden
Traditionelle Rollenbilder (z.B. “Der Mann kümmert sich um’s Geld.”)
Doch das Spannende ist: Wenn Frauen einmal investiert haben, erzielen sie höhere Renditen als Männer, weil sie weniger Aktionismus betreiben. Und wenn sie einmal in den Genuss finanzieller Bildung gekommen sind, profitieren Frauen davon mehr als Männer, da sie mehr von dem Wissen tatsächlich umsetzen.
Meine Tipps, um psychologische Bias’ zu vermeiden
Jetzt kennst du die Theorie. Damit du auch im Alltag und bei deinen zukünftigen Investments nicht den Bias’ verfällst, teile ich hier meine besten Tipps mit dir, um die psychologischen Fallen zu vermeiden:
DIVERSIFIKATION: Setze nicht alles auf eine Karte. Das funktioniert nie! Je diversifizierter dein Portfolio, desto geringer die Chance, dass du einen Komplettverlust deiner Investments erlebst. Du umgehst damit auch das Home Bias, das oft zu Klumpenrisiko führt. Das erreichst du durch ETFs oder indem du einen Robo Advisor nutzt, der deine Investments automatisch streut.
AUTOMATION: Je weniger du dich mit deinen Investments auseinandersetzen musst, desto besser. Denn so kommst du nicht in Versuchung und lässt dich weniger von Horror-News und Social Media-Trends beeinflussen. Setze bei deinem Broker einen Sparplan auf, der automatisch jeden Monat Geld für dich investiert oder nutze einen Robo Advisor. So kommst du a) nicht in Versuchung einen Monat auszusetzen und b) weisst, dass du dich an der von dir vorher festgelegten Strategie festhältst. Anstatt dich mit dem richtigen Zeitpunkt für einen Kauf / Verkauf zu beschäftigen, nutzt du das sogenannte “Dollar Cost Averaging”: Wenn du regelmässig einen festen Betrag investierst, unabhängig davon, wie die Märkte gerade stehen, kaufst du bei hohen Kursen weniger und bei niedrigen Kursen mehr Anteile. Mit der Zeit gleicht sich der durchschnittliche Kaufpreis aus, und du minimierst das Risiko, einen schlechten Zeitpunkt zu erwischen.
PASSIVITÄT: Das bringt mich zum nächsten Punkt: Bleibe bei deiner Strategie. Das Beste, was du für deine Investments tun kannst, ist: Nichts. Lehne dich zurück, bespare per automatisiertem Sparplan und schau’ 2x im Jahr in dein Portfolio, ob du Anpassungen machen musst. Die täglichen Fluktuationen interessieren dich nicht, denn du willst ja langfristig mit dem Geld rechnen - nicht, um den nächsten Urlaub zu finanzieren.
Übrigens: Personen mit einem Finanzberater*in bleiben häufiger bei ihrer Strategie und reagieren weniger emotional auf das Marktgeschehen (siehe auch Punkt 5).
BILDUNG: Je mehr du dich in das Thema Finanzen einliest und auseinandersetzt, desto sicherer wirst du. Und mit steigender Sicherheit kommt auch das Selbstbewusstsein, deine Strategie festzulegen und bei ihr zu bleiben. Gut gemeinte Ratschläge lässt du links liegen, weil du dir deine eigene Meinung gebildet hast.
BERATUNG: Arbeite mit einem Finanzberater*in oder Finanzplaner*in zusammen. Viele DIY-Investor*innen werden bei grösseren Auf- und Abschwüngen panisch. Wenn du eher in diese Kategorie fällst, hilft eine externe Person dabei, voreilige Entscheidungen zu vermeiden. Wie eine Finanzberatung abläuft, habe ich dir hier erklärt. Aber: Eine Finanzberatung ersetzt deine finanzielle Bildung nicht! Sie ergänzt sie. Nur wenn du dir selbst Wissen aneignest, kannst du sichergehen, dass du gut und umfassend beraten wirst.
Fazit zum Thema psychologische Fehler beim Investieren
Unsere Psyche hat einen entscheidenden Einfluss auf unseren Erfolg an der Börse. Emotionen wie Angst, Gier oder überschätztes Selbstvertrauen können dazu führen, dass wir falsche Entscheidungen treffen – etwa Trends nachjagen, Verluste zu spät realisieren oder unser Portfolio unzureichend diversifizieren. Doch es gibt Wege, diese psychologischen Stolperfallen zu umgehen. Automatisierte Sparpläne, Diversifikation und eine passive Anlagestrategie helfen dir dabei, emotionale Fehltritte zu vermeiden. Wer sich zusätzlich Unterstützung von Expert*innen holt, kann langfristig gelassener investieren und von den Wachstumschancen des Marktes profitieren. Am Ende gilt: Ruhig bleiben, auf eine kluge Strategie setzen und den langfristigen Erfolg im Blick behalten.